Same same yet different: Erste Annäherungen an Raumbezüge von professionellen Airbnb Hosts
Viele werden sie kennen: die Werbespots von Airbnb aus dem Frühjahr 2022. Dort tauchen wir in „Airbnb Stories“ ein. Wir begleiten glückliche Urlauber:innen, sehen privat anmutende Fotos und hören stimmungsvolle Musik. Die authentischen Urlaube, die hier beworben werden, sind „made possible by Hosts“. Diese Hosts treten in den Werbespots aber gar nicht direkt in Erscheinung. Einzig kleine Grußkärtchen geben einen Hinweis auf sie, im Obstkorb oder bei der Einwegkamera als Begrüßungsgeschenk. Die Gäste, die wir sehen, residieren in eleganten Stadtwohnungen, sonnigen Villen oder gemütlichen Ferienhäusern. Diese Urlaube „made possible by Hosts“ scheinen wenig damit zu tun zu haben, dass jemand ab und zu ein kurzzeitig leerstehendes Zimmer oder eine Wohnung über Airbnb vermietet. Die Werbespots verweisen auf einen bestimmten Typ Gastgeber:in, der, wenn wir der Forschung folgen[i], immer erfolgreicher auf Airbnb ist: professionelle Hosts.
Amateur:innen und professionelle Hosts auf Airbnb
Im Gegensatz zu Amateur:innen vermieten professionelle Hosts systematisch mehrere (Ferien)Wohnungen, die einen Großteil des Jahres von Gästen über Airbnb gebucht werden können. Die Hosts wohnen, und das ist der zentrale Unterschied zu Amateur:innen, selbst nicht dauerhaft in diesen Wohnungen.
Im Projekt C07 „Plattformökonomie“ beschäftigen wir uns mit Unterschieden zwischen Amateur:innen und professionellen Hosts. Inwiefern nehmen Vertreter:innen dieser beiden Gruppen Bezug auf konkrete lokale Orte, administrative Räume oder das Netzwerk Airbnb? Wie werden Konflikte zwischen diesen Raumbezügen verhandelt? Wir untersuchen zum Beispiel, wie Airbnb in unterschiedlicher Form dafür genutzt wird, die Wohnung oder Nachbarschaft im virtuellen Raum des Netzwerks darzustellen. Auch die Frage, ob Amateur:innen und Professionelle unterschiedliche Erfolgsaussichten auf der Plattform haben, spielt eine Rolle: Welche Gruppe dominiert das Angebot? Gerade wenn wir die Auswahl auf Airbnb quantitativ untersuchen, macht die Unterscheidung zwischen Amateur:innen und professionellen Hosts also vieles sichtbar. Wie jede Kategorie hat aber auch diese den Preis, dass Unterschiede innerhalb einer Gruppe in den Hintergrund gerückt werden. Um diese nicht aus dem Blick zu verlieren, sollen sie hier expliziert zum Thema gemacht werden. Was sehen wir, wenn wir unser Hauptaugenmerk darauf richten, inwiefern sich professionelle Airbnb-Hosts in ihren Raumbezügen unterscheiden?
Um diese Frage zu beantworten, wenden wir uns Hendrick und Cecile zu. Mit beiden wurde im Herbst 2022 ein offenes Gespräch zu ihrer Nutzung von Airbnb und ihren Gedanken zu politischen Diskussionen rund um das Thema Kurzzeitvermietungen geführt. Aus quantitativer Perspektive ordnen wir beide Hosts als professionell ein, da sie dauerhaft mehrere Wohnungen, unter anderem im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg, über Airbnb vermieten. Beide sind dabei gewinnorientiert. Für Cecile ist es die Haupterwerbstätigkeit, sie vermietet in Vollzeit mehrere Ferienwohnungen. Hendrick betreibt die Airbnb-Vermietung als Nebentätigkeit, vor allem um sich als Selbstständiger (langfristig) finanziell abzusichern.
Die Interviews wurden nun in einer ersten Runde im Hinblick auf Raumbezüge hin untersucht. Welche Rolle spielen Orte, die mit Identität verbunden sind, für sie, beispielsweise Nachbarschaften? Was denken sie über Airbnb als Netzwerk, in dem Angebote global miteinander in Bezug gesetzt und vergleichbar gemacht werden können? Und wie stehen sie zu den politischen Regulierungen von Airbnb, die ihm Rahmen administrativer Territorien festgelegt werden?[ii] Die ersten Eindrücke zeigen auf, wie ähnlich und doch unterschiedlich Hendrick und Cecile sich in ihren Raumbezügen als professionelle Hosts sind.
Same same… Bezüge zum administrativen Territorium und der Nachbarschaft als Ort
Ein zentraler gemeinsamer Nenner in den Erzählungen von Cecile und Hendrick ist der Bezug zum administrativen Territorium. Beide formulieren deutliche Kritik an der politischen Gestaltung des Wohnungsmarkts und der Regulierung von Airbnb. Als Airbnb Hosts fühlen sie sich für Probleme verantwortlich gemacht, mit deren Ursache sie nichts zu tun haben. So kritisiert Hendrick beispielsweise, dass es legal sei, eine 200 Quadratmeter-Wohnung in Berlin zu besitzen, dort aber nur ein paar Tage im Jahr zu wohnen. „Aber wenn ich auf 200 Quadratmeter da vier Airbnb-Wohnungen machen wollen würde, so, wo dann das ganze Jahr über Leute sind, die irgendwie im Kiez Geld ausgeben […] Das könnte da alles möglich sein, das ist angeblich illegal […], das ist faktisch illegal.“
Für Cecile ist die Kritik noch deutlicher mit einer Kränkung als Gewerbetreibende verbunden. Die Wohnungen, die sie vermietet, sind rechtlich als Gewerberäume eingestuft. Mit diesem Argument verweist sie mehrfach darauf, dass sie keinen Wohnraum wegnehme. Sie betrachtet sich als eine Gewerbetreibende, die genauso von Tourist:innen profitiert wie eine Vielzahl anderer Akteure in der Stadt – Betreiber:innen von Kneipen, Geschäften, Verkehrsunternehmen. Aus diesem Grund findet Cecile nicht gerechtfertigt, dass die Stadt nur ihr „die Bürde gibt“, die City-Tax zu erheben. Sie fühlt sich „angefeindet, von der Stadt“ – „Leute finden uns scheiße, die Politiker finden uns auch scheiße“.
Die beiden sind sich einig darin, dass es eine wichtige Aufgabe der Politik ist, Wohnraum zu schützen und für sozialen Wohnungsbau zu sorgen. Gerade weil die politischen Entscheidungsträger:innen seit mehreren Jahrzenten an dieser Aufgabe scheitern, fühlen sie sich in ihrer Rolle als Airbnb-Vermieter:innen als „leichter Sündenbock“ (Hendrick). Dieses Gefühl ist umso intensiver, weil die positiven Effekte von Airbnb-Tourist:innen in nachbarschaftlichen Orten in den Diskussionen untergehen. Das zentrale Argument ist, wie schon eben bei Cecile angeklungen, dass diese Leute im Kiez viel Geld ausgeben. Ansprechende Airbnb-Wohnungen ziehen, so erfährt es Hendrick, eine bestimmte Art von Gästen an. „Das sind alles keine Leute, die irgendwie in irgendwelchen Fastfoodketten ihr Geld lassen, sondern die gehen alle in die kleinen, inhabergeführten Restaurants, Cafés, Läden“. Und gerade in dieser Hinsicht nimmt er eine aktive Rolle ein, indem er die Gäste mit individuellen Ratschlägen genau zu diesen Orten „lenkt“. Daher sei die Vermittlung von Airbnb-Apartments – „sofern das alles in Maßen ist, natürlich“ (Hendrick) – sehr positiv für eine Nachbarschaft. Aus diesem Grund wünscht sich auch Cecile, dass Politiker:innen ein offeneres Ohr für die Betreiber:innen von Ferienwohnungen haben und alle Beteiligten gemeinsam „praktische Lösungen“ finden.
Dass das nachbarschaftsverträgliche Maß an Airbnb-Tourist:innen überschritten wird, halten Hendrick und Cecile angesichts der aktuellen Gesetzeslage für unwahrscheinlich. Die politischen Anstrengungen zur Regulierung des Kurzzeitvermietens könnten aber in Zukunft noch ausgeklügelter werden, wenn an der These etwas dran ist, dass Airbnb eine Professionalisierung des Angebots anstrebt. Wenn professionelle Unternehmen aktiver auf der Plattform werden, könnten weitere Instrumente eingeführt werden, um Wohnraum und Nachbarschaften zu schützen. Zumindest Cecile beobachtet, dass es auf Airbnb „kompetitiver“ wird, weil zunehmend große Unternehmen mit vielen Wohnungen in der Hoffnung auf profitable Geschäfte einsteigen. Mit dieser Beobachtung kommen wir zu dem zentralen Unterscheid zwischen Cecile und Hendrick: ihrer Wahrnehmung der Plattform.
… yet different: Bezüge zum Netzwerk Airbnb
Für beide gilt gleichermaßen, dass sie Airbnb als absolut notwendig beschreiben, um ihre Wohnungen zu vermieten. Ein Großteil der Buchungen passiere über dieses Netzwerk, nicht zuletzt, weil andere Portale unzugänglich und kompliziert seien. Wenn Gäste im Urlaub also Zugang zu Nachbarschaften, zu spezifischen Orten suchen, scheint Airbnb das Portal der Wahl zu sein.
Für Hendrick ist die Zusammenarbeit mit Airbnb dabei eine Geschäftspartnerschaft auf Augenhöhe. „Die nehmen natürlich einen relevanten Teil von unseren Umsätzen ein, aber (…) die bieten einen sehr guten Service“. Das bedeutet für ihn einerseits, dass alle organisatorischen Abläufe reibungslos funktionieren. Er kann mit automatisierten Nachrichten „Standardkommunikation“ maximal reduzieren, indem allen Gästen einen Tag vor Anreise die gespeicherte Wegbeschreibung zur Unterkunft gesendet wird. So hat er die nötige Energie, um Gästen gehaltvolle Tipps für einen angenehmen Aufenthalt in der Nachbarschaft zu geben. Auch lobt Hendrick, dass die Gäste immer sehr gut zu seinem Inserat passen – „da findet irgendwie eine gute Vorabauswahl statt“. Als weiteren relevanten Faktor dafür nennt Hendrick das Bewertungssystem. Er findet es „sehr logisch“, dass Gast und Host sich gegenseitig bewerten. Das führe zu einem angenehmen und respektvollen Umgang untereinander. Insgesamt zeigt sich deswegen bei Hendrick ein durchweg positiver Bezug zum Netzwerk. Er ist „total dankbar, dass es Airbnb gibt“. Das Unternehmen vernetzt Hosts und Gäste miteinander, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Weil diese Vernetzung so reibungslos funktioniert, kann Hendrick sich auf das für ihn Wesentliche konzentrieren: alles dafür zu geben, dass die Gäste in seiner Unterkunft und der Nachbarschaft „wirklich das Gefühl haben, das ist irgendwie was Besonderes und das ist jetzt nicht so ein Nullachtfünfzehn“-Urlaub.
Im markanten Gegensatz dazu beschreibt Cecile ihr Verhältnis zu Airbnb als „Liebe-Hass Beziehung“. Ausschlaggebend für den liebevollen Anteil ist, dass ihre Unterkünfte über die Plattform durchgehend gebucht werden. Das funktioniert allerdings nicht so reibungslos wie bei Hendrick. Gäste machen Einrichtungsgegenstände kaputt oder versäumen es, die City-Tax zu zahlen. Die Zusammenführung von Urlaubsorten auf der ganzen Welt in einem virtuellen Netzwerk ist das Eine. Die von Cecile angeführten Beispiele erinnern uns jedoch daran, dass die Angebote in der materiellen Welt verwaltet werden müssen. Cecile hat zwar eine feste Ansprechpartnerin bei Airbnb, doch die hilft ihr bei Problemen nicht weiter. Stattdessen würde sie wiederholt vorschlagen, die Wohnungen zu anderen Konditionen zu vermieten. Cecile solle doch mit den Preisen herunter gehen oder statt drei nur zwei Tage Mindestaufenthalt einstellen. Für Cecile ist klar, dass die Ansprechpartnerin nur dafür sorgen will, „dass die Interessen von Airbnb durchgesetzt werden“. Den Gästen soll ein flexibler und günstiger Zugriff auf das Angebot im Netzwerkraum ermöglicht werden, dafür ist Cecile angehalten, ihre eigenen Relevanzsetzungen zurückzustellen.
Auch im Bewertungssystem manifestiert sich für Cecile diese ungleiche Beziehung zwischen Hosts und Gästen. Letztere hätten mittlerweile hohe Ansprüche an die Unterkünfte entwickelt. „Wenn da jemand einen Zentimeter Schimmel auf dem Silikon sieht, dann geben die halt gleich nur eine 1-Sterne-Bewertung“. Cecile hat in der Vergangenheit mehrfach erlebt, dass Airbnb Angebote zeitweise deaktiviert, wenn mehrere schlechte Bewertungen in Folge kamen. Dass das Unternehmen so weitreichend darüber entscheiden kann, was auf der Plattform passiert, findet sie nicht gut. Aber „denen ist das egal“, weil „wir klein sind und Airbnb ist groß“. Wenn Airbnb also global Unterkünfte miteinander in Bezug setzt und verfügbar macht, dann verweisen Ceciles Berichte auf die Frage, wessen Interessen bei der Organisation dieses Netzwerks im Zentrum stehen.
Fazit
Die Gegenüberstellung von Hendrick und Cecile ist eine erste, illustrative Annäherung an eine Vielzahl von qualitativen Interviews, die in den letzten Wochen geführt wurden und darauf warten, ausgewertet zu werden. Trotzdem bietet der Vergleich erste Einblicke in Raumbezüge von professionellen Hosts auf Airbnb.
Die Interviewpassagen zeigen auf, dass beide sich stark in ihren Bezügen zu Ort und administrativem Territorium ähneln. Gerade vor dem Hintergrund der deutlich vorgetragenen Kritik an der politischen Gestaltung des Wohnungsmarktes betrachten Hendrick und Cecile sich als zu Unrecht „angefeindet“ (Cecile). Solange Airbnb-Tourist:innen eine „Beimischung“ (Hendrick) in Nachbarschaften bleiben, hätten sie dort einen positiven Effekt. Dieser wird vor allem ökonomisch bemessen. Als professionelle Hosts nehmen beide die relativ strikte politische Regulierung von Kurzzeitvermietungen vor allem als ungerechtfertigte Einschränkung ihrer Geschäftstätigkeit wahr.
Hosting ist für Hendrick ein Nebengeschäft. Im Gegensatz dazu ist Cecile in Vollzeit als Vermieterin von Ferienwohnungen tätig. In dieser Hinsicht kann Cecile als die professionellere Gastgeberin gelten. Die deutlich unterschiedlichen Schwerpunkte in den Erzählungen der beiden im Hinblick auf das von Airbnb organisierte Netzwerk birgt ein interessantes Ergebnis im Hinblick auf die oben angesprochene Professionalisierungs-These. Diese lässt vermuten, dass professionellere Hosts stärker von der Gestaltung der Plattform profitieren. Die spannende Frage ist daher, mit welchen Einstellungen zum Netzwerk diese vorteilhafte Position einhergeht. Gerade Cecile als die professionellere der beiden Hosts positioniert sich deutlich kritischer zu Airbnb. Im Gegensatz zu Hendrick betont sie, dass in diesem Netzwerk die Interessen von Airbnb als Unternehmen im Vordergrund stünden. Dieser erste Eindruck muss natürlich in den folgenden Auswertungen einer intensiven Prüfung standhalten. Nichtsdestoweniger verweist er auf fruchtbare Wege, die Raumfigur Netzwerk weiter zu denken. Im Fall von digitalen Plattformen wie Airbnb sind es Unternehmen, die diese Netzwerke betreiben und strukturieren können.[iii] Wie kann deren Einfluss in der Raumfigur abgebildet werden?
Autorinneninfo: Christina Hecht ist Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am SFB1265. Im Projekt (C07) zur Plattformökonomie beschäftigt sie sich mit Raumkonflikten um Airbnb zwischen weltweiter Vermarktlichung und territorialer Einhegung.
[i] Beispielsweise hier: Bosma, J. R. (2022). Platformed professionalization: Labor, assets, and earning a livelihood through Airbnb. Environment and Planning A: Economy and Space, 54(4), 595-610.
[ii] Zur genaueren Beschreibung dieser drei Raumfiguren siehe: Löw, M. (2020, March). In welchen Räumen leben wir? Eine raumsoziologisch und kommunikativ konstruktivistische Bestimmung der Raumfiguren Territorialraum, Bahnenraum, Netzwerkraum und Ort. In J. Reichertz (Hrsg.), Grenzen der Kommunikation–Kommunikation an den Grenzen (pp. 149-164). Velbrück Wissenschaft.
[iii] Ametowobla, D. & Kirchner, S. (2022). The organization of digital platforms: Architecture and interfaces in a partial organization perspective. Working Paper “Fachgebiet Digitalisierung der Arbeitswelt”, No. 04, Technische Universität Berlin: Berlin.