Glossar | ABC of Refiguring Spaces

Der SFB 1265 untersucht die Refiguration von Räumen aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen. Um eine gemeinsame Terminologie zu entwickeln, die sowohl anschlussfähig an die Diskurse in den beteiligten Fächern als auch offen für neue Begriffsbildungen ist, wurde ein Register zentraler Arbeitsbegriffe begonnen und während der ersten Förderperiode in der gemeinsamen Arbeit weiterentwickelt.

Das ABC basiert auf diesem Glossar, erweitert es aber hier und da. Es ist eine Reihe an unterschiedlichen Stimmen aus dem Forschungsverbund, die ausgewählte Begriffe von A bis Z beispielhaft im Kontext ihrer Forschungen erläutert.

Durch disziplinäre Einordnungen und forschungspraktische Kontexturalisierung werden die Begriffe konkret fassbar. Zugleich zeigt sich ihre Genese, Formbarkeit und der prozesshafte Einsatz in der wissenschaftlichen Arbeit. Die Erzählungen sind damit immer auch spezifisch und ausschnitthaft.

(Action
Communicative Action)
Handeln,
kommunikatives Handeln
(Action
Communicative Action)
Handeln,
kommunikatives Handeln

Der Begriff des Handelns beschreibt in der Tradition Max Webers jenes menschliche Tun oder Unterlassen, das für die/den Handelnden mit einem subjektiven Sinn verbunden ist. Mit dem für unseren SFB zentralen Begriff des kommunikativen Handelns nehmen wir gezielt diejenigen Formen des Handelns in den Blick, die als leiblich verkörpertes, wechselseitig orientiertes soziales Handeln oder auch als wechselseitig realisierte Interaktion zwischen Akteuren durch Objektivierungen sozial in Erscheinung treten. Es umfasst damit das kommunikative Handeln im Sinne Habermas’ als den zeichenhaften und sprachlichen Austausch von Botschaften, weitet es aber im Sinne des kommunikativen Konstruktivismus auf körperliche Performanz und materiale Objektivierungen aus, die Medien, Technologien und andere materiale Gegenstände umfassen können. Da wir mit einem breiten Handlungsbegriff arbeiten, schließt das kommunikative Handeln in diesem Sinne ebenfalls routinisierte Handlungen und Praktiken ein.

Akteur*innen
Akteur*innen

Unter Akteuren verstehen wir sozial handelnde und interagierende Subjekte. Wir negieren damit nicht die Gebundenheit des Handelns an soziale Strukturen und deren Folgen für die Formen der Subjektivierung, interessieren uns aber insbesondere dafür, wie Akteure mit ihren verkörperten Standpunkten mit diesen Strukturen handelnd umgehen, wie sie sie erfahren und erzeugen. Als kollektive Akteure betrachten wir soziale Gruppen, Verbünde oder Organisationen (wie z. B. NGOs), die koordiniert und kooperativ räumliche Strukturen vor dem Hintergrund geteilter Erfahrungen und eines gemeinsamen Wissensbestandes bearbeiten.

Circulation
(Zirkulation)
Circulation
(Zirkulation)

Zirkulation beschreibt verkoppelte Bewegungen von Menschen, Gütern und Technologien zwischen Orten. Sobald sich diese verkoppelten Bewegungen zu verfestigen beginnen, entstehen Raumanordnungen. Mit anderen Worten: Zirkulation bezeichnet Ordnungen der Mobilität (von Menschen, Gütern und Technologien), die meist mit einer nichtmobilen Infrastruktur (aus Menschen, Gütern und Technologien) und institutionellen Struktur verbunden ist.

Container-Raum
Container-Raum

Das Modell des Container-Raums steht für die seit der Antike bekannte Vorstellung vom Raum als Behälter, der entweder leer sein kann (und auch dann noch existent ist) oder der mit Dingen und Lebewesen gefüllt ist, sich durch die Art der „Befüllung“ allerdings nicht verändert. Übertragen auf die Sozialwissenschaften führt dies zu einem Raumverständnis, in dem Raum als unabhängig von Akteuren und deren Handeln gedacht wird. Gemäß dieser Raumvorstellung gibt es bewegte Handlungen und Körper in einem an sich unbewegten Hintergrundraum. Mithilfe des Container-Raum-Modells, das auch als absolutistisches Raumverständnis bezeichnet wird, lassen sich empirisch nur wenige (nämlich territoriale) Räume beschreiben. Wir plädieren daher für ein relationales Raumverständnis (Raum).

(Digitale)
Mediatisierung
(Mediatization)
(Digitale)
Mediatisierung
(Mediatization)

Unter Mediatisierung verstehen wir die Veränderungen der medialen Vermittlung kommunikativen Handelns. In Anlehnung an Krotz und Hepp gehen wir davon aus, dass die Mediatisierung zu neuen „kommunikativen Figurationen“ führt. Diese umfassen die Beziehungs- und Machtstrukturen ebenso wie die damit verbundenen soziotechnischen Infrastrukturen. Während Mediatisierung im Sinne von Krotz einen langfristigen globalen („Meta-“)Prozess bildet, haben wir es im von uns beobachteten Zeitraum mit sehr spezifischen Prozessen der Mediatisierung zu tun, die mit der explosionsartigen Ausbreitung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zusammenhängen. Diese Form der Mediatisierung zeichnet sich durch eine fortschreitende Digitalisierung, eine Zunahme medial vermittelter Formen kommunikativen Handelns sowie durch die verstärkte kommunikative Kopplung „smarter“ technischer Geräte aus.

Emotionen/
Affekte
Emotionen/
Affekte

Sprecher*in(nen):

Unter Emotionen verstehen wir physiologisch bestimmbare körperliche Prozesse menschlicher Akteure (z. B. Liebe oder Hass), die Akteure mit sozial als angemessen geltenden Ausdrucksformen kommunizieren. Affekte hingegen beziehen sich auf eine relationale Ebene von Emotionalität. Sie speisen sich aus der Wechselwirkung mit anderen und der Welt sowie der Resonanz auf andere und die Welt. Im Unterschied zu Emotionen, die mit dem körperlichen Subjekt verbunden sind, fassen wir mit dem Begriff des Affektes auch die Relation auf Andere/s und das Affiziert-Werden in und aus der Relation. Affekte bestehen auch in der Wechselwirkung des Subjekts mit Räumen und Orten.

Figuration/
Refiguration
Figuration/
Refiguration

Wir verwenden den Begriff der Figuration im Sinne Norbert Elias’ als stets dynamisches Geflecht sozialer wie räumlicher Beziehungen. Fruchtbar ist der Figurationsbegriff für uns u.a., weil er soziale Gebilde über die unterschiedlichen Skalen und Größen – von der Nachbarschaft über den Staat bis hin zu globalen Raumanordnungen – als zusammenhängende Dependenzgeflechte zu erfassen erlaubt und damit als vermittelnde Kategorie zwischen der subjektiven Ebene der Akteure, ihren Handlungen, Erfahrungen, Affekten und ihrem Raumwissen (Psychogenese) und der Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen und institutionalisierter Raumanordnungen (Soziogenese) fungiert. Mit dem Refigurationsbegriff können wir überdies an Elias‘ Deutung des historischen Wandels der Figurationen hin zur Moderne als Zentralisierungsprozess (Herausbildung von Gewalt- und Steuermonopol des Staates bei zunehmender Affektkontrolle) leitend anschließen, die etwa vom Prozess der Globalisierung herausgefordert wird. Unter Refiguration verstehen wir die prozesshafte und aus Konflikten unterschiedlicher Raumfiguren resultierende gesellschaftliche Um-Ordnung seit den späten 1960er Jahren.

Gender and Space
Gender and Space
Institution/
Institutionalisierung
Institution/
Institutionalisierung

Institutionen definieren wir als typische und dauerhaft in Routinen reproduzierte soziale Handlungsmuster. So lässt sich beispielsweise die Institution „Staat“ als ein räumliches Gebilde konzipieren, das durch routinisiertes staatliches Handeln, wie etwa die Sicherung von Grenzen oder das Sprechen von Recht, fortwährend reproduziert wird. Diese Konzeption erlaubt es uns, Institutionen als etwas Prozesshaftes, performativ Hergestelltes zu denken. Mit Institutionalisierung soll daher die Herausbildung neuer (räumlicher) Gebilde bezeichnet werden, mit De-Institutionalisierung das Obsoletwerden einst für gewiss gehaltener (räumlicher) Routinen.

Juxtaposition
Juxtaposition

Sprecher*in(nen):

(Knowledge)
Wissen
(Knowledge)
Wissen

Während „Sinn“ die subjektive Orientierung von Akteuren bezeichnet, bezieht sich der Begriff „Wissen“ auf den sozial vermittelten, anerkannten und als „gewiss“ geltenden Sinn, der typischerweise das Handeln leitet. Wissen umfasst nicht nur explizite und sprachliche Formen, sondern auch „implizite“ leibliche („Sehgemeinschaften“), habitualisierte („Körpertechniken“) und routinisierte („communities of practice“) Formen bis hin zu den basalen lebensweltlichen Kategorien von Zeit und Raum. Wissen wird in Zeichen, Artefakten und Technologien objektiviert, die im Handeln jeweils situativ realisiert werden. Weil das meiste Wissen der Akteuren von anderen und über andere erworben wird, ist es vom jeweiligen sozialen Standpunkt und der sozialen Ordnung abhängig. Wissen unterscheidet sich deswegen nach der institutionellen Ordnung, der damit verbundenen Sonderwissensbestände (Expertinnen/Professionelle) wie auch nach den Strukturen der sozialen Ungleichheit (Alter, Geschlecht, Klassen etc.). Da Wissen definiert, was als Wirklichkeit konstruiert wird, ist es eine der zentralen gesellschaftlichen Quellen von Macht.

Kommunikation
Kommunikation

Unter Kommunikation verstehen wir ein wechselseitiges, verkörpertes und objektiviertes Wirkhandeln, das sich – im Gegensatz zur subjektiven Intentionalität und Affektivität der handelnden Akteure – unmittelbar sozialwissenschaftlich beobachten lässt. Kommunikation ist damit mehr als der absichtsvolle Austausch von Botschaften, sie ist immer auch und vor allem die körperliche und performative Vermittlung und Herstellung von Identitäten und von sozialer Ordnung. Da Kommunikation für uns ohne Bezug zum Raum gar nicht denkbar ist – sie impliziert das In-Beziehung-Setzen von mindestens zwei Standorten – lässt sich Raumkonstitution durch die Untersuchung von Kommunikationsprozessen empirisch hervorragend erschließen. Die Räumlichkeit von Kommunikation wandelt sich vor allem durch Prozesse der Mediatisierung.

Kontexturen/
Kontexte
Kontexturen/
Kontexte

Unter räumlichen Kontexturen verstehen wir institutionell bzw. material objektivierte räumliche Anordnungen, die individuelles und kollektives Handeln und Wissen translokal vermitteln. Unter räumlichen Kontexten verstehen wir räumliche Anordnungen, auf die Handeln und Wissen (u.a. auch vermittelt durch Kontexturen) bezogen ist.

Lokalisierung
(Localization)
Lokalisierung
(Localization)

Lokalisierung meint Prozesse, durch die räumlich-kommunikative Figurationen mit konkreten Stellen der Erdoberfläche verknüpft bzw. in Beziehung gesetzt werden, wodurch Orte entstehen.

Macht
Macht

Wir begreifen Macht als eine asymmetrische Form der Wechselwirkung im kommunikativen Handeln zwischen Akteuren. Macht ist für uns damit etwas, das nicht per se an Personen oder soziale Positionen gebunden ist, sondern vielmehr in und durch räumlich-kommunikative Figurationen erzeugt und verhandelt wird. Interessant ist für uns, wie Raum als Ressource von Macht eingesetzt werden kann, wie Macht im kommunikativen Handeln bestimmte Raumanordnungen zur Folge hat und, insbesondere, welche institutionelle Form diese Macht annimmt (die wir als Regime bezeichnen).

Materialität
Materialität

Den Begriff der Materialität nutzen wir für diejenigen Aspekte von Räumen, die durch die Körperlichkeit des kommunikativen Handeln und durch die Sinnlichkeit des subjektiven Erlebens (etwa in der Erfahrung von Widerstand) zugänglich werden. Institutionen, wie beispielsweise Grenzziehungen, werden selbstevidenter, wenn sie eine physisch-materielle Form annehmen; viele Rituale sind ohne die Handhabung physischer Objekte nicht denkbar und Gebäude können zu materiellen Trägern von Erinnerungen und Werten werden. Der Begriff der Materialität ergibt Sinn in seiner Differenz zum Denkbaren. Materielle, dingliche und technische Objektivationen spielen daher eine tragende Rolle als wirkende Kräfte.

Multiple Spatialities
Multiple Spatialities

Multiple spatialities zielen auf räumliche Unterschiede, Variationen und Divergenzen, die sich aus unterschiedlich gelagerten gesellschaftlichen Bezugsproblemen speisen, in denen sich die Refiguration vollzieht. Ähnlich wie historisch „multiple modernities“ unterschieden werden, kann es zu Variationen der Refiguration kommen. Diese sind jedoch keineswegs nur durch politisch oder ökonomisch differente Makroregionen begründet, sondern auch mit unterschiedlichen Bezügen auf Maßstabsebenen (scale) oder Systemlogiken (Wirtschaft, Medien, Bildung, Kunst etc.) verbunden. Multiple spatialities lassen sich auf den verschiedenen Ebenen (Wissen, Handeln, Institution und Zirkulation) untersuchen und sind mit entsprechenden Regimen verbunden.

Network Space
Network Space

References:

Glückler, J. (2007). Economic geography and the evolution of networks. Journal of Economic Geography, 7 (5), 619–634, https://doi.org/10.1093/jeg/lbm023

Mitchell, J.C. (1969) The concept and use of social networks. In J.C.Mitchell (ed.) Social Networks in Urban Situations. Analyses of Personal Relationships in Central African Towns, pp.1–50. Manchester: Manchester University Press.

Löw, M. (2020). In welchen Räumen leben wir? Eine raumsoziologisch und kommunikativ konstruktivistische Bestimmung der Raumfiguren Territorialraum, Bahnenraum, Netzwerkraum und Ort. In J. Reichertz (ed.) Grenzen der Kommunikation. Kommunikation an den Grenzen, pp. 149-164. Weilerswist: Wellbrück Wissenschaft.

Weidenhaus, Gunter (2015): Soziale Raumzeit, Berlin: Suhrkamp.

Objektivation/
Objektivierung
(Objectivation/
Objectification)
Objektivation/
Objektivierung
(Objectivation/
Objectification)

Sprecher*in(nen):

Mit Objektivierung meinen wir den Prozess, durch den Resultate menschlichen Handeln (wie etwa Kommunikationsformen, räumliche Anordnungen oder materielle Objekte) zu einem Teil der objektiven Wirklichkeit einer sozialen Gruppe (und damit zu Objektivationen) werden. Während sich die Soziologie lange Zeit vor allem für immaterielle Objektivationen (wie Sprache, Rollen, Wissensformen etc.) interessiert hat, lässt sich der Begriff auf materielle Objekte, mediale Eigenschaften und modale Erfahrbarkeiten (wie Gebäude, Grenzanlagen, technische Kommunikationsmedien, Sinnesmodalitäten) übertragen. Außerdem umfasst der Begriff sinnhafte Gebilde, die eine intersubjektive Bedeutung teilen, diskursiv vermittelt und beispielsweise über Narrationen oder Argumentationen legitimiert werden können.

Ort
Ort

Wir gehen von einem nicht-essentialistischen Ortsverständnis aus und verstehen unter einem Ort eine benennbare Stelle der Erdoberfläche, an der die Welt auf spezifische Art und Weise anwesend ist. Das heißt, Orte sind zwar erdräumlich fixiert, aber nicht unabhängig von globalen Zirkulationen. Sie entstehen durch die Platzierung von Akteuren, Objekten und Technologien, wobei sie nicht mit dieser Platzierung identisch sind. Über einen gewissen Zeitraum können Orte auch ohne das (zuvor) Platzierte beziehungsweise nur durch die symbolische Wirkung der Platzierung erhalten bleiben. Die Konstitution von Raum bringt damit systematisch Orte hervor (Lokalisierung), so wie Orte die Entstehung von Raum erst möglich machen. Orte sind oft mit starken Affekten belegt und/oder Ankerpunkt für kollektive Erinnerung. An/in ihnen können sich Machtverhältnisse realisieren. Orte lassen sich auf allen Skalenebenen denken, von der „Erde“ über die „Stadt“ bis zur „Nachbarschaft“ und dem „Platz“.

Polykontexturalisierung
(Polycontexturalization)
Polykontexturalisierung
(Polycontexturalization)

Sprecher*in(nen):

Polykontexturalisierung bezeichnet die Heterogenisierung der Referenzen des Handelns. Im kommunikativen Handeln – insbesondere durch Digitalisierungsprozesse verstärkt, beschleunigt und vermehrt – werden räumliche Anordnungen und hiermit auch unterschiedliches Raumwissen sowie unterschiedliche körperliche Platzierungsanforderungen gleichzeitig relevant gemacht. Diese Handlungsanforderung in spätmodernen, digitalisierten Gesellschaften nennen wir Polykontexturalisierung. Der Begriff bezeichnet multiple räumliche Syntheseleistungen in vernetzten Kontexten. Gemeint sind die vielfältigen, gleichzeitigen und oft beschleunigt herzustellenden Bezüge auf unterschiedliche Räume.

Praktiken
Praktiken

Unter Praktiken verstehen wir routinisierte kommunikative Handlungen. Praktiken vollziehen sich im Modus des Selbstverständlichen, sie basieren auf einem praktischen, verkörperten Wissen, das habitualisiert, sedimentiert und so routinisiert wurde, dass es zu seinem Vollzug keiner gesonderten Reflexion bedarf.

Raum/
relationaler Raum
Raum/
relationaler Raum

Wir verstehen unter Räumen die relationalen Anordnungen platzierter und platzierender Akteure, Objekte und Technologien. Wichtig für dieses relationale Verständnis von Raum ist, dass weder die Elemente, die den Raum bilden, noch die Beziehungen zwischen diesen Elementen theoretisch als vorgelagert gedacht werden. Raum lässt sich vielmehr empirisch von beiden Seiten her aufschlüsseln. Ferner werden Raum und Soziales (kommunikatives Handeln) als sich gegenseitig konstituierend betrachtet. Das heißt, Räume sind durch das Soziale geprägt, umgekehrt wirken Räume an der Ordnung des Sozialen mit. Räume können unterschiedliche Formen annehmen wie beispielsweise Netzwerk, Zone, Bahn, Lager oder Territorium. Gemeinsam ist allen Räumen der relationale Charakter einer Verknüpfung von Materialität und Akteuren.

Raumanordnung
Raumanordnung

Eine Raumanordnung ist als eine stets temporär gedachte und zeitweise verfestigte räumlich-kommunikative Figuration zu verstehen. Wird der Begriff der Raumanordnung (im Unterschied zum Begriff des Raumes) benutzt, so um im jeweiligen Kontext die Prozesshaftigkeit von Platzierungen und ihre ordnungsbildende Rolle durch Syntheseleistungen zu betonen.

Raumerfahrung
Raumerfahrung

Der phänomenologischen Tradition (Schütz) folgend verstehen wir unter Erfahrung die typisierende Zuwendung des Subjekts auf seine abgelaufenen Erlebnisse. Das heißt, Subjekte erleben zunächst die (räumliche) Welt, ohne darüber nachzudenken. Diese Erlebnisse lagern sich ab. Sobald eine neue Situation auftaucht, in der das erste Erlebnis erinnert und zu der neuen Situation in Relation gesetzt wird, beginnt Erfahrung. Die Summe der Erfahrungen bildet den individuellen Wissensvorrat. Raumerfahrung bezeichnet die räumliche Dimension der Erlebnissortierung.

Raumfigur
Raumfigur

Raumfiguren bezeichnen topologisch identifizierbare Muster räumlicher Anordnungen, die als räumliche Logiken Handlungen und Praktiken ausrichten und sich in den daraus resultierenden institutionellen Raumanordnungen materialen Objektivationen und Zirkulationen niederschlagen. Wir unterscheiden heuristisch zwischen vier Raumfiguren: Netzwerk-, Bahnen-, Territorialraum und Ort.

Raumkonstitution/
Raumkonstruktion
Raumkonstitution/
Raumkonstruktion

Konstitution von Raum verstehen wir als einen Prozess, der auf zwei analytisch zu trennenden, jedoch gleichzeitig stattfindenden Vorgängen beruht, der Syntheseleistung und der notwendig materialitätsbezogenen Platzierungspraxis, genannt Spacing.

Mit dem Begriff der Raumkonstruktion bezeichnen wir die ideellen und materiellen Dimensionen des Raumes, z. B. von erschaffenen Infrastrukturen oder physisch-räumlichen (An-)Ordnungen als Teil einer sozial geteilten, gemeinsamen Raumwirklichkeit. Raumkonstruktion kann sowohl einen Prozess als auch das Ergebnis eines Prozesses bezeichnen, in dem Akteure im Rahmen ihres aufeinander bezogenen kommunikativen Handelns eine – mehr oder weniger – gemeinsam geteilte Raumwirklichkeit erschaffen.

Räumlich-
kommunikative
Figuration
Räumlich-
kommunikative
Figuration

Der Begriff der räumlich-kommunikativen Figuration dient uns als Oberbegriff für die Integration von Raumtheorie, kommunikativem Konstruktivismus und Elias’scher Prozessperspektive. Wir verstehen darunter ein dynamisches Geflecht räumlich-kommunikativer Beziehungen, das sich nicht nur stetig wandelt, sondern in einer Wandlungsordnung entfaltet. Übergeordnetes Ziel des SFB ist die empirisch begründete Bestimmung dieser Wandlungsordnung.

Raumpraktiken
Raumpraktiken

Mit dem Begriff der Raumpraktiken erfassen wir routinisierte und vorwiegend auf körperlichen kommunikativen Handlungen basierende Formen der Konstitution von Räumen.

Raumstrukturen
Raumstrukturen

Von Raumstrukturen sprechen wir, wenn die Konstitution von Räumen, das heißt Spacing und/oder Syntheseleistung in Regeln eingeschrieben und durch Ressourcen abgesichert ist. Raumstrukturen sind damit das Ergebnis räumlicher Institutionalisierung; sie umfassen sowohl materielle Objektivationen (wie Straßen, Netzwerkkabel, Kontrollzentren, Grenzzäune etc.) als auch institutionalisierte räumliche Syntheseleistungen (z. B. „Vorlesungssaal“, „Hotel“, „Wirtschaftsraum“ etc.).

Raumwissen/
Raumvorstellungen
Raumwissen/
Raumvorstellungen

Raumwissen umfasst für uns das (sozialisierte) subjektive Erleben und Erfahren von Raum, die Raumvorstellungen sowie die mit dem Raum verbundenen Emotionen und Subjektives Raumwissen kann etwa körperlich, sprachlich oder visuell objektiviert sein und damit untersucht werden. Es wird von institutionellen Wissensbeständen geprägt, wie sie in Wissenschaft, Schule oder Kunst produziert und vermittelt werden. Diese vermitteln den Subjekten Vorstellungen darüber, in welchen Räumen sie leben, wie diese Räume angeordnet sind und wie mit ihnen umgegangen werden soll. Dies impliziert beispielsweise die lebensweltliche Überzeugung darüber, was „nah“ und was „fern“ ist, aber auch Wissen über die Skalierung von Räumen oder die Vorstellungen darüber, wie die Welt als solche räumlich figuriert ist und wo man sich selbst in dieser Figuration verortet.

Raumregime
Raumregime

Das Konzept des Regimes bezeichnet Ordnungssysteme in und von Räumen mit bestimmbaren Prinzipien, Regeln und Verfahrensweisen, die auf politischen und rechtlichen Regelungen sowie auf entsprechende Modi der Gestaltung und Nutzung (z. B. Artefakte, Medien und Standards) basieren. Über den Begriff des Raumregimes richtet der SFB den Blick auf Ordnungssysteme der Zirkulation in und zwischen Räumen. Hierbei können Regime Zirkulation ordnen sowie umgekehrt neue Formen der Zirkulation etablierte Regimes herausfordern, umgestalten oder zusammenbrechen lassen.

Spacing
Spacing

Spacing bezeichnet im weitesten Sinne das Positionieren von Akteuren, Objekten und Technologien. Ein mikrosoziologisches Beispiel für Spacing wäre das Einräumen der Waren im Supermarkt, ein makrosoziologisches das Ziehen von Grenzen um Staaten oder die gezielte Verknüpfung von Computern an unterschiedlichen Orten der Welt.

Spannungen/
Raumkonflikte
Spannungen/
Raumkonflikte

Da Gesellschaften immer Differenzierungen etwa nach Alter, Geschlecht und anderen sozialen Kategorien aufweisen, gehört der Umgang mit Differenz und damit Spannungen zu ihren Grundzügen. Wir fokussieren im SFB auf die mit Räumen verbundenen Spannungen, die sich etwa aus der Abgrenzung oder Entgrenzung von Territorien ergeben und mit verschiedenen Raumlogiken des kommunikativen Handelns, den ihnen zugrunde liegenden Raumfiguren und daraus konstruierten Figurationen zusammenhängen. Sofern solche Raumspannungen zum Gegenstand kommunikativer Handlungen, von explizitem Wissen und besonderen Institutionen ihrer Austragung, Vermeidung oder Bewältigung werden, reden wir von Konflikten.

Subjekt
Subjekt

Mit dem Subjektbegriff fassen wir die Art und Weise, wie sich Menschen als denkende, handelnde und fühlende Wesen wahrnehmen und so wahrgenommen als Selbst zur Welt in Beziehung setzen. Wir gehen davon aus, dass sich Subjekte in sozialen Relationen ausbilden, sich durch und im kommunikativen Handeln ausbilden und durch das in Diskursen vermittelte Wissen subjektivieren. Als verkörperte sind die Subjekte psychogenetisch den veränderten räumlichen Figurationen unterworfen, wie sie selbst als Teile der Interdependenzrelationen die Figurationen soziogenetisch mit beeinflussen.

Syntheseleistung
Syntheseleistung

Syntheseleistung ist ein leiblich vollzogener Bewusstseinsprozess, über den Ensembles von Akteur*innen, Objekten und Technologien zu Räumen zusammengefasst werden. Bildlich gesprochen sorgt die Syntheseleistung zum Beispiel dafür, dass wir bei einer sinnlich wahrgenommenen Ansammlung von Bäumen einen „Wald“ sehen oder eine bestimmte Anordnung von Tischen und Stühlen als „Seminarraum“ erkennen. Die Syntheseleistung lässt sich analytisch untergliedern in Prozesse des Vorstellens, Wahrnehmens und Erinnerns von Räumen, die jeweils einen leiblichen Bezug (wahrnehmend, handelnd, wirkend) aufweisen. Die Syntheseleistung ist von Wissen abhängig und deswegen kulturell variabel, das heißt, jede Kultur bringt typische Modi des Vorstellens, Wahrnehmens und Erinnerns von Räumen hervor.

Translokalität/
Translokalisierung
(Translocality/
Translocalization)
Translokalität/
Translokalisierung
(Translocality/
Translocalization)

Translokalität bezeichnet den Umstand, dass soziale Einheiten wie Familien, Freundschaften oder Religionsgemeinschaften, aber auch Dinge und Technologien in Zirkulationen eingebunden und an mehreren Orten verankert sind. Mit Translokalisierung, also mit dem Suffix „-sierung“ im Unterschied zu „-tät“, betonen wir die Aktivität des Verknüpfens jener Orte, an denen zirkulierende Objekte, Techniken und Akteure zeitweilig lagern oder als platziert imaginiert werden. Translokalisierung fasst damit die Möglichkeit der Bezogenheit eines Ortes auf einen oder mehrere, wo auch immer liegende andere Orte. Dadurch, dass die Möglichkeiten und Notwendigkeiten zunehmen, Orte relational zueinander zu verketten – so unsere Annahme – verschwimmen gängige Vorstellungen von Nähe und Ferne sowie von Lokalem und Globalem. Translokalisierung, so die weitere Annahme, führt nicht zu einer Abwertung der Orte, sondern zu einer steigenden Relevanz von Ortsbindungen, weil durch die Translokalisierung Orte und das Gefühl des Belongings/der Zugehörigkeit relational erfahren werden. Während Translokalität die Raumanordnung verknüpfter Orte bezeichnet, liegt der Begriff der Translokalisierung auf der Ebene des kommunikativen Handelns und fragt nach Veränderungen von Räumen insbesondere durch die Mediatisierung, wie sie etwa in der „synthetischen Situation“ zum Ausdruck kommt.

Visual Spatialities
Visual Spatialities

Audio folgt..

World System
World System

Sprecher*in(nen):

(Critical) Zone
(Critical) Zone

Audio folgt…

credits
credits

Begriffe und Inhalte des „Glossars“ sind dem formellen Fortsetzungsantrag 2021 für die zweite Förderperiode des SFB 1265 „Re-Figuration von Räumen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft entnommen.

Konzept und Inhalte des „ABC of Refiguring Spaces” wurden kuratiert und erstellt durch Sarah Etz, Daniel Dilger und den jeweiligen Begriffserklärenden.

Layout und Gestaltung erfolgt und umgesetzt durch Christoph Zamaitat und Christopher Heidecke.