Teilprojekte | Projektbereich B | Räume digitaler Mediatisierungen

B03
Smart People: Queere Alltagshandlungen in digitalisierten Lebensräumen

In der ersten Förderphase des SFB haben wir die Refiguration von Räumen anhand der als Immobilienprodukt entwickelten koreanischen smart city Songdo untersucht. Es zeigte sich, dass die gesellschaftliche Spannung zwischen lokaler Familien- und globaler Marktwirtschaftsorientierung im Alltagshandeln der Stadt durch homogene Siedlungsformen und ein an den Interessen der Mittelschicht orientiertes Digitalisierungskonzept ausbalanciert wird. Angesichts der Deutlichkeit, mit der gerade smart city developments in Südkorea Kleinfamilienstrukturen unterstützen und soziale, kulturelle sowie ethnische Differenz dethematisieren, werden wir in zweiten Förderphase die Refiguration von Räumen im hochgradig digitalisierten Korea über soziokulturell konflikthafte Platzierungen analysieren.
Seit den 1990er Jahren nimmt erstens die öffentliche Kritik an der Planungskultur Koreas zu und es formen sich soziale Bewegungen für mehr Mitbestimmung, mehr Ökologie und behutsame Erneuerung. Zweitens diversifizieren sich die Lebensformen, vor allem in den Metropolräumen. Insbesondere die vermehrte öffentliche Sichtbarkeit von LGBTIQ+ wird als Irritation der heteronormativen und familiären Strukturierung der koreanischen Gesellschaft erfahren. Das Teilprojekt untersucht im Themenfeld queerer Subkulturen sowie urbaner sozialer Bewegungen digitalisiert mediatisierte Handlungen. Die Daten aus der smart city Erhebung der ersten Förderphase werden zu den subkulturellen Platzierungen der Queer- und Stadtplanungsbewegungen ins Verhältnis gesetzt, sodass mittels der Analyse der räumlichen Refiguration in Südkorea Einsichten in multiple spatialities im SFB möglich werden. Eine zentrale Untersuchungsfrage ist hierbei, welche Raumfiguren mit welchen Logiken in relationale, dynamische Gefüge gebracht werden und welche Rolle hierbei Digitalisierung spielt. Es werden drei Arbeitspakete definiert: 1. Ethnografische Feldstudien zu Raumstrategien der LGBTIQ+-Szene im Großraum Seoul; 2. Sekundäranalyse der Interviews mit koreanischen Bewohner*innen von Songdo in Bezug auf Konstruktionen des otherings; 3. Expert*inneninterviews mit Akteur*innen urbaner sozialer Bewegungen zu konflikthafter Raumproduktion.

Publikationen

Phase 1 (2018-2021)

Smart Cities: Alltagshandlungen in digitalisierten Lebensräumen

Wenn Urbanisierung das Kennzeichen der Moderne ist, dann steht nun die Mediatisierung von Städten durch ein zunehmend dichtes Netz künstlicher Intelligenz für spätmoderne Transformationen. Die heutigen so genannten „Smart Cities“ entstehen nicht nur durch die Digitalisierung bereits bestehender urbaner Strukturen, sondern werden häufig von Grund auf neu aufgebaut. Sie lassen durch die Integration virtueller und realer Welten, die traditionellen Grenzen zwischen eben diesen verschwimmen. Anders ausgedrückt bedeutet das: Sowohl die Alltagspraktiken als auch die Materialität der Städte werden durch unzählige virtuelle Möglichkeiten „erweitert“.Derzeit durchlaufen viele urbane Räume tiefgreifende Prozesse einer Re-Figuration, die sich nicht zuletzt auf menschliche Formen der Soziabilität auswirken. Es entsteht buchstäblich Neuland – etwa in der südkoreanischen Stadt Songdo – gleichzeitig aber werden moderne binäre Deutungsmuster utopischer Erlösung und dystopischer Gefährdungen erneut entfacht.

Mit unserem Projekt intendieren wir nicht nur, die aus dieser Re-Figuration resultierenden Veränderungen zu beschreiben, sondern auch die binären Codierungen selbst zu interpretieren. Konkretes Ziel ist es, die Re-Figuration von Raum und Zeit begrifflich präzise zu beschreiben. Hierzu arbeiten wir ethnographisch in Songdo/Südkorea. Bislang war die wissenschaftliche Aufmerksamkeit primär auf die politische Ökonomie der Smart Cities gerichtet: als Abbild epochaler top-down Transformationen auf technologischer und wirtschaftlicher Ebene. Nun gebaut und belebt, entwickeln sie eine eigene Logik, die auf einem Set kontextgebundener Aneignungen universeller technischer Lösungen basiert. Die Smart City beeinflusst die Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Soziologische und architektonische Ansätze zusammenführend wird im Teilprojekt untersucht, wie sich „smartes“ urbanes Leben vollzieht und wie dies für Produktion von Räumen relevant ist.