Blog

Von Zeichen und Räumen. Die Reise nach Seoul

20. August 2019

Prof. Dr. Hubert Knoblauch (TU Berlin) schildert in diesem Beitrag seine Eindrücke, die er während eines Feldaufenthalts in Südkorea (9.-16.4.2019) sammeln konnte.

Wie groß ist der Raum und wie fremd die Welt, denke ich wieder. Seit Jahren reise ich eigentlich nur in der westlichen Hemisphäre und großteils ohnehin in Europa umher. Asien, das mir so früher so vertraut schien, ist so weit weg, dass ich im Flieger in aller Ruhe schlafen kann, um nach dem kurzen Tag am Abend wieder müde zu sein. Es reicht sogar noch dazu, „Vice“ anzusehen, die Informationsmaterialien der Kontrollzentren durchzusehen und zwei Artikel meines neuen Lieblingsautoren Chang, den ich in Seoul treffen will, zu lesen. In einer selten reflektierten Weise wendet er die Theorie der reflexiven Moderne auf Südkorea, China und Ostasien an: die „compressed modernity“ trägt die Züge der Postmoderne, doch vor lauter Geschwindigkeit, in Südkorea noch mehr als in Japan, in China noch mehr als in Südkorea, sind beim Sprung in die Ultramoderne, die überall mit dem Neuesten an Technik aufblitzt, die Züge der modernen, ja auch der vormodernen Gesellschaft erhalten geblieben. Nicht nur Nationalismus, sondern auch ein transformierter Familialismus treten auf, die mit dem reise- und handelsfreudigen Kosmopolitanismus in derselben Spannung stehen wie das, was wir im SFB 1265 bei der Re-Figuration vermuten. Nur dass er das eine lediglich als Reflexion oder Reflex des Anderen ansieht und nicht, wie wir, das Neue sieht, das sich daraus ergibt. Mal schauen, was er dazu sagt.

Davor aber steht noch der Gang durch das Reich der Zeichen. Ich war, muss ich gestehen, zuletzt 1990 in Seoul, als Zwischenlandung nach Japan und dies auf dem Weg nach Kalifornien. Wie wenig habe ich damals Japan lesen können, waren mir die Zeichen doch unzugänglich und die Städte so fremd, dass ich Stadtkern nicht vom Rand unterscheiden konnte. Auch Südkorea wird da keinen großen Unterschied machen, wie man hier auf der Tafel sieht. Südkorea wird aber, wie wir sehen werden, nicht ein Problem der Zeichen bedeuten. Wie es bei einem SFB sein muss, werde ich auf Probleme stoßen, die mit dem Raum zu tun haben. Aber der Reihe nach.

Riesiger Flughafen: wir fahren erst einmal eine Viertelstunde zum nächsten Terminal durch eine Landschaft, die gar nichts mit dem Flughafen zu tun haben scheint: Mittelgebirgshügel, Meeresbuchten, die von Brücken überspannt sind, die die Überspanntheit amerikanischer Brücken (also nicht der Golden Gate, sondern der Bay Bridge) teilen.

Die Passkontrolle erinnert in nichts an das amerikanische Gedränge; glatt und freundlich passiert man den Grenz-Schalter; die Furcht, nun ohne existentielle Hygiene durchkommen zu müssen, löst sich auf, als das Gepäck im großzügigen Ausgaberaum als eines der letzten heranrollt.

Ohne Stress und Gedränge geht es zum Bus, der so leicht zu finden ist, dass es die freundliche Informationsdame fast gar nicht braucht, und er rollt auch schon fünf Minuten nach dem Kauf der Karte los – allerdings ohne mich. Ohne wenigstens einen richtigen Kaffee kann ich meinem Körper nicht klar machen, dass es jetzt schon 15 Uhr ist und nicht 6 Uhr morgens. Aber leider habe ich nicht mit der Pünktlichkeit der Busse gerechnet, als ich eine Minute nach Abfahrtszeit endlich ankomme. Kein Problem, der nächste fährt in 15 Minuten.

Am Abend ist es ein Hauptproblem, Dinge zu finden. Das Hotel etwa. Mein Handy darf nicht roamen, weil das so teuer sein soll, also muss ich mich nach dem Weg erkundigen. Das Englisch ist mehr als rudimental, aber die Leute sind sehr, sehr höflich. Die ersten beiden jungen Männer begleiten mich gleich ein paar hundert Meter bis zur nächsten Kreuzung, an der auch mein Hotel liegt.

Dramatischer ist die Suche nach der Fahrtmöglichkeit nach Songdo. Ein Taxi erscheint mir für die lange Strecke (fast 2 Stunden mit dem Bus) weder vor der DFG noch vor meiner schwäbischen Krämerseele wirklich vertretbar. Google Maps gibt mir eine Haltestelle in der Nähe an, die ich mir vorher anschauen möchte, um am Morgen nicht vor unverständlichen Schildern zu stehen und mit Leuten reden zu müssen, die mich nicht verstehen. Also marschiere ich zum Gangnam Square. Untergründig laufen da eine Reihe von U-Bahnen zusammen. Es herrscht ein Getriebe zwischen zahllosen Billigklamottengeschäften (warum?), aber die Bushaltestelle finde ich nicht. Auch oben nur zahllose Haltestellen. Ich gehe sie ab, dazwischen die ellenlangen Ampelschaltungen, kann sie aber nicht finden. Auch Google Maps hilft da nicht, zumal die Busse auch am entfernten Mittelstreifen halten können.

Um sicherzugehen, mache ich noch eine Abendtour – keine Chance. Nirgendwo steht meine Buslinie 6405. Danach habe ich Glück: die Rezeptionistin mit dem besseren Englisch ist aus Songdo. Sie druckt mir den Plan der Gangnam Station aus: am Ausgang 7.

Am nächsten Morgen – ich fahre eine Stunde früher, um jede Eventualität zu vermeiden –, finde ich die Bushaltestelle aber auch nicht gleich. Ich frage einen Mann, der allerdings kein Wort Englisch spricht. Erst als ich Songdo sage, weist er zur nächsten Bushaltestelle, die fast schon beim U-Bahn-Ausgang 8 liegt (die dienen hier ganz gut zur Orientierung). Da gehe ich hin, ich hätte ihn aber nicht identifiziert, würde nicht zum Glück schon auf der Tafel mit den wilden Zeichen die Nummer des Busses aufleuchten. Zwei Minuten, sonst wäre ich wohl nochmal weiter gelaufen.

Lustig, wie das Problem des Raumes sich mir so hartnäckig aufdrängt. Ich denke auch schon daran, wie ich morgen den Weg vom Bus zum Grand Hyatt finden werde, wo ich den Kollegen Chang treffen soll, falls ich nicht, wie Chang empfiehlt, ein Taxi nehme. Heute habe ich schon eine halbe Stunde lang die Lage von TOPIS (Transport Operation and Information System) studiert und den Weg, den ich dahin nehme (und wie ich von da wieder schnell ins Hotel komme, um dann hoffentlich zeitig zum Flughafen zu kommen – Terminal 1 oder 2?).

Die Busse sind eher Reisebusse und erinnern wohl, wie ich in meiner Naivität vermute, an alte Zeiten. Aber: sie sind erstaunlich pünktlich! (Und das hat, wie ich am letzten Tag erfahren werde, einen guten Grund, den ich unter dem Rathaus von Seoul in einem wirklich beeindruckenden Kontrollraum erfahren werde, der nicht nur die Busse von unsichtbarer Hand leitet.).

Der Weg nach Songdo überrascht. Es ist wie ein großes Stuttgart. Wir sind so rasch aus einer der größten Städte der Welt draußen, als wären wir von Spandau nach Westen gefahren. Dann zwar immer wieder überdimenionsierte Märkische Viertel 2.0 und natürlich lauter Autobahnen, dazwischen aber hübsche Hügel, auf denen, wie ich gelesen habe, leider selten Schnee liegt. Südkorea scheint zu den Ländern zu gehören, die ihre Siedlungen auf die Hügel bauten wie die alten Umbrier. (Man sollte nie zu schnell und aus dem Bus urteilen, denn in Seoul stehen einige z.T. sehr hübsch gebaute Stadtteile auf Hügeln – und um die Stadt zieht sich eine Festungsmauer, die ein wenig an die chinesische Mauer erinnert – Chang wird sie mir zeigen – ob Steffen Mau sie auf dem Bildschirm hat?)

Mit dem Bus dann nach Songdo, Stadt der Zukunft. Auch diese Zukunft hat große Baulücken, die noch nach einem Jahrzehnt nicht geschlossen sind. Zwar reihen sich zahlreiche Hochhäuser um den Central Park, doch gibt es eben viele Lücken. Ich war etwas früher da und konnte mich noch im Tourismuszentrum umsehen und zwei Kaffee trinken. Auf dem Weg dorthin stehe ich an der Straßenkreuzung. Wieder diese ewig langen Ampelschaltungen. Kein Mensch unterwegs, auch kein Auto. Ich sehe einen Druckknopf und drücke, doch sofort ertönt eine laute Stimme auf Koreanisch im Lautsprecher. Ich murmle etwas auf Englisch, aber sie spricht weiter. Ich mache eine verneinende Geste, in der Annahme, dass ich über eine Kamera beobachtet werde. Jetzt sehe ich, dass auf dem gelben Schalter SOS steht. Die Stimme hält ein; ich gehe bei Rot über die Straße, weil ich nicht sicher bin, ob das noch einmal etwas wird. Später erfahre ich dann etwas peinlich berührt, dass ich natürlich aus dem Kontrollraum beobachtet worden bin und einen kleinen Alarm ausgelöst habe.

Der Gang durch den Park war sehr gemütlich, wenig Leute und noch weniger Infrastruktur (die Menschen in Südkorea haben es offenbar nicht so mit Stühlen oder Tischen im Freien – ein Phänomen, das ja auch für die alte Bundesrepublik bis tief in die 1980er Jahre zutraf); ganz hübsch mit einem schönen Kanal. Im mächtigen Hochhaus treffe ich dann Eli aus dem Kontrollzentrum, mit der ich E-Mail-Kontakt hatte. Sie war noch nicht ganz bereit, so dass ich noch ins Informationszentrum in den 33. Stock fuhr, wo ich diese Bilder gemacht habe (leider war ich nie ein guter Fotograf).

Dann mit Eli ins Besucherzentrum, wo sie mir erst ein Video zeigte, das auch ein Werbevideo hätte sein können. Dann wurde der Vorhang zum Kontrollraum aufgezogen, der nun in aller technoloigischen Pracht vor uns lag, und sie schilderte mir den Kontrollraum, begleitet von Lee, der ihn offenbar leitet. Er ist für das Kontrollzentrum zuständig, das er mir ausführlich erläuterte. Danach gingen wir durch eine Sicherheitsschleuse und er zeigte mit den Raum mit Servern (von einer deutschen Firma, wie er mir erklärte), auf denen die Daten des Kontrollraums für die Cloud abgelegt werden (sollen).

Freundlich verabschieden sie mich, nicht ohne den Hinweis, dass ich in Deutschland auf ihr Zentrum hinweisen möge, das, wie er mehrfach wiederholte, die Speerspitze der Smart City in der Welt sei.

Zurück in Seoul. Die Zeichen bleiben mir fremd, aber doch erschließt sich die Stadt. Hinter der Front mit neuen Hochhäusern und sehr McDonaldisierten Ketten (sehr viele Cafés: Cafe Baguette, Starbucks) befindet sich das flach gebaute Gangnam, dem weltberühmten Ausgehviertel Seouls, mit kleinen Gassen, vielen Restaurants und unzähligen koreanischen Zeichen. Sie kann ich nicht lesen, aber man erkennt doch weitgehend, was drin ist oder sieht Bilder von dem, was gegessen werden kann. Eigentlich ist es erstaunlich, dass es so viele englische Erläuterungen gibt, aber das Land hat ja eine lange amerikanische Tradition (wie Berlin ja auch).

Die Leute bleiben distanziert. Dauernd habe ich das Klischee im Kopf, Westler würden stinken, das offenbar gerade in einer Hornbach-Werbung, die hier lief, missverstanden wurde (aus der Zeit 15/2019). Die Menschen sind sehr höflich, bemühen sich sofort um Antworten und scheinen bekümmert, dass ihnen die englischen Worte fehlen.

Während sich der Raum nun etwas erschließt, macht mir die Zeit zu schaffen. Gestern schon konnte ich, obwohl todmüde, nur mit einer Schlaftablette einschlafen; nach vier Stunden war ich wieder wach und wälzte mich im Bett. Jetzt sitze ich schon wieder um zwei Uhr morgens am Schreiben, obwohl ich um kurz vor elf Uhr todmüde eingeschlafen bin und selbst auf der fast zweistündigen Busfahrt nicht geschlafen habe und die Augen nicht mehr aufhalten wollte. Morgen um zehn ist das Treffen mit Chang. Mal sehen, was da geschieht.

Heute, am Freitag, Treffen mit dem Kollegen Chang. Er rief mich schon morgens an, weil er nicht wusste, ob ich komme. Ich fand, nun schon sicherer, den passenden Bus, der mich knapp vor dem Grand Hyatt absetzte. Er holte mich mit dem Auto ab und fuhr mich mitten durch Seoul, zeigte mir den Königspalast und lief mit mir über die Befestigungsanlage – eine Art chinesische Mauer, die sie sehr pflegen, und zeigte mir die dezenten Viertel, in denen keine Hochhäuser stehen und die in jüngster Zeit wieder so in Mode gekommen seien, mit ihren Restaurants und Cafés .

Die Mauer steht nicht zufällig hier, denn die Hügel bilden offenbar einen ersten Kreis um das alte Seoul und den Kaiserpalast. In der Tat, so Chang, seien die Hügel mit gutem (schamanistischem) Grund im Rücken des Palastes, damit der wiederum mit der Stadt hin zum Fluss weisen könne. Das sei ein koreanisches Prinzip, zu dem auch gehört, dass die Hügel, wie ich vermutet hatte, unbebaut bleiben. Die ehemaligen Slums seien zurückgebaut worden, so dass es in der Stadt nun mehrere Hügel gibt, die als Parks dienen – bzw. die Parks sind Hügel (mit Kirschblüten, die gerade aufgegangen sind und auch das koreanische Herz erfreuen).

Am Ende fuhren wir in ein chinesisches Restaurant fünf Minuten vom Palast entfernt, wo er genug Platz hatte, sein Auto abzustellen. Ach, ich durfte nicht nur nicht zahlen, sondern hatte auch noch vergessen, ihm meine edlen Schweizer Pralinen zu geben, die ich mitgebracht hatte. Bevor er mich kartenlos ins Zentrum von Seoul entlassen wollte, drängte er mich, den von ihm auf dem Handy abgerufenen Namen des Hotels zu fotografieren, um den Taxifahrer instruieren zu können. Er hatte mich ja irgendwo im Zentrum herausgelassen; da er mich während der Fahrt mehrfach ermunterte, zu fotografieren, was ich sah (die Mauer, das Urban Gardening, die Panoramasicht), hatte ich meine Karte, die ich auf dem Handy gespeichert hatte, überschrieben. Obwohl ich am anderen Ende von Seoul wohnte, blieb ich zuversichtlich. Denn dankend ausgestiegen erkannte ich den Ort bei der amerikanischen Botschaft gleich. Hier musste das zweite Kontrollzentrum sein, in das ich am Montag zu gehen hoffte. Ich habe mir das natürlich schon – samt Buslinie- stabsplanmäßig vorher angesehen, und in der Tat fuhr vor meiner Nase auch der 402er vorbei. Ich stieg erfreut ein und in einer ¾ Stunde war ich in Gangnam, vorbei an der frühlingshaften Kulisse der Seouler Hochhausszenerie, der alpin besteigbaren Hügel und des riesigen Flusses, der weniger von einer „Seafront“ englischen Typs als von einem Märkischen Viertel mit einigen neuen Hochhausriesen dazwischen gesäumt wird. (Natürlich sind die Hochäuser viel höher als im Märkischen Viertel.) Neben viel historischen Ausführungen zu Seoul und Südkorea habe ich von Chang auch einiges über sein Konzept der Compressed Modernity erfahren. Die zeichnet sich nicht nur durch die Schnelligkeit aus, sondern auch durch die Beibehaltung eines vorpostmodernen Habitus, einer asiatischen Form des Nationalismus, die nie verloren gegangen sei. Von hier aus erscheint die Transnationale Bewegung wie eine europäische Säkularreligion in einem weiten Meer nationalistischer Staaten, die ihre Globalisierung nur instrumentell betreiben. Ich und Nation klingen häufig zusammen, wenn es um China, Japan oder die USA geht, obwohl er selbst über den Nationalismus kritisch schreibt. (Weil mir das auf den Straßen so aufgefallen ist, habe ich gerade nachgesehen: in 2017 stammten 47% der importierten Autos in Südkorea aus Deutschland, nur 11 % aus Japan – 16 % aus den USA (https://atlas.media.mit.edu/en/visualize/tree_map/hs92/import/kor/show/8703/2017/.)

Am Samstag traf ich mich abends mit dem slowenischen Kollegen, der mir bei der Kontaktaufnahme mit dem Topis-Zentrum in Seoul so behilflich war. Die hatten mir gestern endlich eine Zusage gegeben, so dass ich erleichtert mit ihm in ein nordkoreanisches Restaurant gehen konnte. Er stammt aus Ljubjana, ist Soziologie, weiss sehr viel über Südkorea, wo er seit 12 Jahren wohnt, mit einer Südkoreanerin verheiratet ist und zwei Kinder hat, mit denen er Slowenisch spricht und jeden Sommer nach Hause fährt. (Sie gelten als „multikulturelle Familie“, während rein ausländische Familien nicht erfasst werden.) Er erzählt von den anderen Seiten Seouls, dem fehlenden Wohlfahrtssystem, der Jugendarbeitslosigkeit, der scharfen Konkurrenz. Wir wechseln nach draußen und setzen uns, ganz ungewöhnlich hier, noch vor einen kleinen Supermarkt, trinken ein paar Urquell und rauchen in der kühlen Nacht ein paar Zigaretten. Ab und zu kommt ein Auto, Leute holen sich etwas, ansonsten ist es ruhig, sehr ruhig. Die Millionen zeigen sich erst, als wir wieder in Gangnam sind: Alles leuchtet, auch die Hochhäuser, die jungen Massen strömen – ich aber habe genug erlebt. Ich bin müde und erschöpft – und nun im Rhythmus der Zeit.

Am Sonntag schaue ich endlich den großen Kaiserpalast an, der so zentral mitten in der Stadt liegt – den Bus finde ich nun schon aus dem ff. Vor dem Palast stehen junge Leute und fotografieren sich in traditionellen Kostümen. Die Tradition ist tatsächlich sehr nah in der Moderne. Im fabelhaften historischen Museum beim Palast wird die Geschichte Südkoreas gezeigt. Erstaunlich, wie sich die mittelalterlichen Feudalherren gleichen, auch wenn sie unterschiedliche Kostüme tragen. Die Kaiser hier waren fast 600 Jahre an der Macht, mit einem kurzen Versuch zum Imperium, der aber jäh von der japanischen Invasion beendet wurde… , die Modernisierung im 19. Jahrhundert, die Unterdrückung und Kolonialisierung durch Japan, die Befreiung Koreas, der Koreakrieg, die Teilung und der rasante Aufstieg der letzten Jahrzehnte.

Am Montag dann endlich bei Topis. Das prächtige neue Rathaus, das sich über das von Japan erbaute historische Rathaus wölbt, birgt im Kellergeschoß den Kontrollraum, in dem die Verkehrssysteme nicht nur der Stadt, sondern auch des Bezirks und des Landes kontrolliert werden. Unsere südkoreanische Kollegin aus dem SFB, Seonju, hatte mich mit einem ihrer Freunde in Kontakt gebracht, der mir beim Übersetzen helfen sollte. Tae-won, ein junger Architekt, der in England zur Schule gegangen war, hatte mir jedoch schon zuvor geholfen, denn die Anmeldung zu Topis, die ich irgendwie im Formular untergebracht hatte, war nur auf Koreanisch zu bewältigen. Zig E-Mails gingen dem Besuch dieses Kontrollzentrums voraus. Dessen freundlicher Leiter sprach dann zwar nur koreanisch, das mir nach wie vor fremd bliebt, doch zeigte er mir hier im Krisenraum der Stadt anhand der riesigen Monitore tief unter Seoul die neue Form von Kontrollräumen, wie wir sie beim Planen des Projektes vermutet und vielleicht erahnt hatten. Zum Glück war Tae-Won dabei und übersetze, daneben konnte ich aufzeichnen und erhielt zudem noch einen Stapel von Unterlagen, Videos und anderes Material – doch das wird eine andere Geschichte, die vermutlich ein wenig vertrackter formuliert wird. So erfüllt und erfüllend der Besuch war – den Bus aus dem Zentrum zum Hotel fand ich nun fast schon im Schlaf –wusste ich nun, warum alle so reibungslos durch die Metropole steuerten. Überpünktlich kam abends mein Bus zum Flughafen (nur die europäische Fluglinie hatte massiv Verspätung).