Refigurierte Raumkontrolle
Am Kottbusser Tor soll eine sogenannte mobile Wache errichtet werden. Sieht man mal von den immer häufiger an öffentlichen Plätzen campierenden Mannschaftswagen der Polizei ab, die ebenso als mobile Wachen bezeichnet werden, wäre die mobile Wache am Kottbusser Tor bereits die zweite ihrer Art, denn sie soll sich die mobile Wache am Alexanderplatz zum Vorbild nehmen. Dort steht seit einiger Zeit ein rundherum kameraüberwachtes kleines Häuschen, das etwas größer ist als ein Baucontainer, jedoch nicht unbedingt ansehnlicher.
Arbeitet Mensch seit Jahren am SFB 1265 zur Refiguration von Räumen, bleibt die Berufskrankheit nicht aus. Das merke ich, wenn ich in Berlin unterwegs bin. Dann drängen mir bauliche Veränderungen oft die Frage auf, ob sie jetzt eigentlich etwas mit der refigurierten Moderne zu tun haben. Nicht ganz unschuldig an dieser kleinen Obsession ist sicher die noch immer recht vage Bedeutung des Begriffes der Refiguration. Der Begriff ist eben eine Brille, die eine bestimmte Lesart erzeugt. Diese Lesart lebt stark vom Gedankenspiel einer Spannung zwischen territorialen und vernetzten Räumen.
Sehe ich die mobile Wache am Alexanderplatz, so wird mir diese Spannung besonders dann präsent, wenn ich mir frühere Raumverhältnisse vor Augen führe. Neben den alten repräsentativen Steinbauten, die die polizeiliche Koordination zentralisieren, gibt es jetzt zusätzlich flexible und ‚kundennahe‘ Wachhäuschen. Neben der bisherigen funktional-räumlichen Trennung der Zuständigkeiten von Polizei, Ordnungsamt und Bundespolizei, sollen nun alle drei auch gemeinsam in einem kleinen Häuschen die Lage sondieren können. Statt nur bei Vorfällen einen Einsatz auszulösen, soll die Polizei jetzt auch im Vorfeld abschreckend wirken, indem den BürgerInnen durch Präsenz ein Un-/Sicherheitsgefühl vermittelt wird.
Wo zeigt sich aber hier die Spannung der Refiguration? Für mich deuten diese Veränderungen tendenziell auf eine Verwischung klassisch-‚moderner‘ Grenzziehungen zwischen Innen und Außen – zwischen Polizeistation und Stadtraum, zwischen eigenem Aufgabenfeld und amtsfremden KollegInnen, zwischen Einsatz und Bereitschaft hin. Alte, im weiten Sinne als ‚territorial‘ begreifbare Logiken der Zentralisierung, der funktionalen Homogenität und der festgelegten Routen sind nach wie vor gültig, doch darüber legt sich der Versuch einer Vernetzung, einer Streuung, einer Interoperabilität und einer flexibleren Bewegung.
Verwischte Grenzziehungen zeigen sich auch zwischen privaten und öffentlichen Plätzen, so etwa bei Gated Communities, die sich eine gezähmte Öffentlichkeit einfach ins Private holen und so halböffentliche Plätze erschaffen. Andererseits fallen mir deutlich neue Grenzziehungen auf, so etwa beim S-Bahnhof Warschauer Straße. Während der Bahnhof früher aussah wie ein Platz zum Verweilen, zum Verstecken, Rumsitzen oder Saufen, nutzt der neue Bahnhof jeden Platz fürs Gewerbe. Aus einem Kultort mit lokalen Spätis wird ein effizient ausgedünnter Knotenpunkt mit Franchise-Läden. Die Grenze zwischen Herumlungern und Bahn fahren wird räumlich klar gezogen. Dealer*innen, Musiker*innen und Partyvolk können sich hier nichts mehr aneignen. Das alles scheint seinen gemeinsamen Nenner darin zu finden, dass wirklich öffentliche Plätze immer mehr zu einer heiklen Angelegenheit werden. Bleibt mir zu hoffen, dass meine Berufskrankheit tatsächlich eine Berufsblindheit mit sich bringt und hier weitaus mehr im Gange ist als eine bauliche Verdrängung dessen, was an öffentlichen Plätzen heikel ist.