Assoziierte Projekte
Die Refiguration von Naturschutz: Der Fall der Botanischen Gärten
In diesem Seed-finanzierten Projekt untersuchen wir die moderne Wissensinstitution der Botanische Gärten, mit dem Ziel die Refiguration des Naturschutzregimes (conservation regime) im Anthropozän zu verstehen.
Botanische Gartenmuseen durchleben einen tiefgreifenden Wandel. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben refigurierende Prozesse wie der Klimawandel, der Imperativ der Dekolonisierung sowie Fortschritte in der (digitalen) Technologie zu einer Verschiebung der Positionierung botanischer Gärten vom Humboldtschen Natursammler hin zum Beschützer der Biodiversität geführt. In diesem Projekt analysieren wir anhand einer sozialräumlichen Untersuchung des Botanischen Gartens Berlin (Bo) die Ordnungslogiken, die der „Inszenierung von Natur“ in den Gewächshäusern zugrunde liegen – im Spannungsfeld zwischen Fixierung und Veränderung. Wir untersuchen zum Beispiel, wie Kakteen räumlich angeordnet sind, wo sie im Verhältnis zu anderen Arten stehen, wie sie in den Botanischen Garten Berlin gekommen sind, welche anderen Stationen und Orte sie unter welchen Bedingungen durchwandert haben. Wie werden sie klassifiziert und kategorisiert? Welche Atmosphäre muss (wieder) hergestellt werden, damit sie in Nordeuropa wachsen können, und zu welchem Zweck geschieht das? Und welche Rolle spielen wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Netzwerke für das, was man über Kakteen weiß, wie verwandeln sie sich, wenn sie durch und zwischen solchen Netzwerken zirkulieren, wie und wo sind diese Netzwerke verbunden? Welche materiellen Infrastrukturen wie Erde, Labore, Blumenbeete, Ausstellungen, Heimgärten, Gärtnereien, Geschäfte usw. erleichtern diese Zirkulationen und Transformationen? Gibt es bestimmte Bahnräume, die für die Ströme von Pflanzenmaterial, Informationen, Wissen und Macht wichtiger sind als andere?
Empirisch führen wir Ortsbegehungen, Interviews, fotografische Dokumentationen, Umfrage und Zeichnungen in zwei Gärten durch: im Botanischen Garten in Berlin und im Royal Botanical Garden in Edinburgh. Durch die Anwendung einer Methode, die wir „Hybrid Mapping“ nennen, erforschen wir die translokalen räumlichen Zusammenhänge, die verschiedenen Akteure und die materiellen Infrastrukturen, die bei der Koproduktion von Wissen im Zusammenhang mit dem Botanischen Garten Berlin eine Rolle spielen, und machen sie sichtbar. Durch eine Kombination aus soziologischer und gestalterischer Sichtweise trägt das Projekt methodisch und praktisch dazu bei, Mapping-Methoden als kritischen, kreativen und reflexiven Ansatz für die sozial-räumliche Designforschung zu etablieren.
In den letzten zwei Jahren haben wir das Konzept der „Inszenierung von Natur“ (staging nature) verwendet, um die spezifischen räumlichen Arrangements botanischer Gewächshäuser und Gärten als eine Multiplizität sozialer und ökologischer Kräfte, die durch koloniale Geschichte und westliche Wissenschaftspraktiken untermauert sind, zu dekonstruieren und zu beschreiben. Die Inszenierung von Natur setzt sowohl Kenntnisse über Praktiken als auch das Wissen voraus, die in die räumliche Organisation der botanischen Gärten Berlins einfließen. Es handelt sich um eine spezifische Art der räumlichen Anordnung, die sowohl die soziale Konstruktion von Natur, die sorgfältig als „wild“ oder „unberührt“ choreografiert wird und mit kuratorischen und wissenschaftlichen Praktiken verwoben ist, als auch die Performativität von Natur als agierendes, lebendiges, materielles nicht-menschliches Leben berücksichtigt. Das Konzept zielt darauf ab, die Hybridität von mehr-als-menschlichen Räumen als real und gleichermaßen kulturell produziert zu begreifen. Mit den Begriffen der ‚Enklavierung‘ (enclaving) und ‚Exklavierung‘ (exclaving) wollen wir auf spezifische materielle und diskursive Prozesse der Grenzziehung und die Praktiken der Überwindung solcher Grenzen verweisen. Sie sollen dazu beitragen, die Konflikte zwischen den zutiefst territorialen und politischen Praktiken der Umzäunung, Abgrenzung, Eingrenzung usw. auszudrücken, die mit den Bemühungen um die Inszenierung von Natur verbunden sind, und den Wegen, auf denen diese Territorialisierungen durch Fluchtlinien, plant agency, Porositäten, Vernetzung, piggybacking, oder, spekulativer, Nachahmung, Echo und Einstudierung überwunden werden. Mit diesen sensitizing Konzepten artikulieren wir Aspekte der aktuelle Refiguration von Naturschutz.
Publikationen
- Baxter, J.-S. & Marguin, S. (2024), The Refiguration of Conservation: Introducing the concept of „Staging nature“ in the case of Botanical Gardens, Museum & Society, Vol. 22(1).
- Baxter, J.-S., Marguin, S., Mélix, S., Schinagl, M., Singh, A. und Sommer, V (2024). Hybrid Mapping: A methodology to study relational space. The case of Botanical gardens Berlin, Architecture and Culture, Vol. 11 (3)
- Baxter, J.-S. & Marguin, S. (accepted, to be published in 2025). The mimetic qualities of space: Staging nature at botanical gardens. In: Fassari, L. and Löw, M. (Eds.), The social quality of public space. Integration, Strategy, Subjectivation, Routledge London.
- Baxter, J.-S., Constantin, L. & Marguin, S. (to be published in 2025) Diffracting Natures. Spatiotemporal Drawings in the Metaverse In: Baxter, J-S., Heinrich, A. J., Marguin, S., und Sommer, V. (eds.), SPACETIME MATTERS. A Collection of Hybrid Mapping Methodologies, Berlin: Jovis Verlag.